13. FRANKFURTER UMWELTPREISTRÄGER:
DR. WERNER NEUMANN
Rosemarie Heilig, Preisträger Dr Werner Neumann, Irene Scherrer Foto:Helmut Stettin
Datum der Preisverleihung: 24. Januar 2014
Unter den vielfältigen Aktivitäten Dr. Neumanns seines über 30-jährigen Engagement für Umwelt und Klimaschutz im Raum Frankfurt stechen hervor die Gründung des Umweltlabors ARGUK 1986, wo besorgte Frankfurter Bürger nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl Radioaktivität in Lebensmitteln oder Böden messen lassen konnten.
Heute werden unabhängige Analysen durchgeführt, wie z.B. Trinkwasserqualität oder Innenraumschadstoffe. In den 1990igern kam das erfolgreiche Engagement gegen die oberirdische Verlegung einer Hochspannungsleitung von Büdingen nach Altenstadt durch ein Naturschutzgebiet und die Gründung der Stromsparinitiative Sparwatt hinzu.
Diese mündete im Jahr 2005 in die Zusammenarbeit mit dem Caritasverband Frankfurt und eine Ausbildung für Arbeitslose zu Stromsparchecker. Inzwischen ist diese Ausbildung auf über 100 Städte und Landkreise in Deutschland ausgeweitet und mehrfach ausgezeichnet.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. schreibt über Dr. Werner Neumann:
STATIONEN DES ENGAGEMENTS FÜR UMWELT UND KLIMASCHUTZ VON DR. WERNER NEUMANN – ALTENSTADT
Schon im Jahr 1986 hatte sich Dr. Werner Neumann nach der Promotion (Teilchenbeschleuniger) den Umweltfragen zugewandt. Im Mai 1986 wurde gemeinsam mit vielen Mitstreiter/innen das unabhängige Umweltlabor „ARGUK“ (Arbeitsgemeinschaft Umweltkontrolle e.V., Oberursel, heute weiter bestehend) gegründet. Ziel war v.a. die Überwachung und Messung von Gefahrstoffen aus der Chemieindustrie, Schwermetalle in Altlasten usw.. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl war dann der Einschnitt – schon eine Woche danach hatte W. Neumann ein Infoblatt über Gefahren der Radioaktivität (Becquerel, Curie und Millisievert) erstellt, was hohes Interesse bei den zahlreichen Demonstrationen fand. Im Labor gelang es mit Spenden der Hess. Landesregierung und Vorauszahlungen von Interessenten einen „Gamma-Meßplatz“ zur Bestimmung der Radioaktivität in Lebensmitteln, Böden etc. aufzubauen – was dann Arbeit für die nächsten 3-4 Jahren bedeutete. Zugleich wurde durch Dr. Neumann Stellungnahmen zur Strahlenschutzverordnung erstellt – das Praktische mit dem Politischen verbunden.
Die Änderungen der Landespolitik ergaben die Möglichkeit ab 1987 eine halbe Stelle bei der Stadt Offenbach anzunehmen – zur Erstellung des Energiekonzepts für Offenbach. Als dies vorlag –aber dort damals nicht weiter umgesetzt wurde – erfolgte der Wechsel zum September 1990 zum neu gegründeten Energiereferat der Stadt Frankfurt am Main (kommunale Energieagentur), mit Übernahme der Leitungsfunktion zum Februar 1992. Aufgrund einer Altersteilzeitregelung wird zum Dezember 2013 diese Arbeit mit Übergang zur „Ruhephase“ beendet werden.
Im November 1991 zog Dr. Werner Neumann mit seiner Frau Dr. Angela Vogel nach Altenstadt. Die Umweltthemen lagen dann „wie von selbst“ vor der Haustür. Die PreussenElektra AG hatte nämlich schon seit einigen Jahren eine 110 kV-Hochspannungsleitung von Büdingen nach Altenstadt geplant – mitten durch das Naturschutz/Auengebiet. Erster Ansatz von Dr. Neumann war die Frage zu stellen, ob man nicht durch Einsparung von Strom und Erzeugung vor Ort die Leitung schlicht überflüssig machen könnte. Entsprechende Einwendungen wurden gegenüber der Landesregierung vorgetragen – ein komplettes „Stromsparprogramm Altenstadt“ wurde vorlegt, aber von den Behörden schlicht ignoriert. In den Jahren 1992-1995 bildete sich eine Initiativgruppe mit Dr. Neumann (sowie K. Jungkind, J. Steigmayer, T. Oberholz u.a.) als „Stromsparinitiative Altenstadt“. Auf Infomärkten wurden Sparlampen angeboten, Stromsparuntersuchungen durchgeführt. Die Gruppe wurde im Jahr 1997 mit dem „Energie- und Umweltpreis“ der Wuppertaler Schuler-Stiftung ausgezeichnet.
Am 1.1. 1994 trat Dr. Neumann gemeinsam mit Mitstreiter/innen dem im Jahr 1991 in Altenstadt gegründeten BUND –Ortsverband bei und wurde am 22.6.1995 gemeinsam mit K. Jungkind zum Vorstandssprecher gewählt. Das Amt als Vorstandsvorsitzender hat Dr. Neumann weiterhin.
Nach vielen Diskussionen und Streitigkeiten mit Stromkonzernen und Behörden in Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren und mit breiter Unterstützung aus Bevölkerung und den Kommunen Limeshain, Glauburg und Büdingen wurde schließlich die 110 kV-Leitung als Erdkabel verlegt. Der BUND Altenstadt hatte zuvor als erster selbst ein Angebot für ein Erdkabel einholen lassen, was sich als deutlich preisgünstiger erwiesen hatte als von PreussenElektra behauptet worden war. Zudem erfolgte eine Beschwerde bei der EU Kommission wegen Nichteinhaltung der EU-UVP-Richtlinie (was später zur Änderung des deutschen UVP –Gesetzes führte). Zudem hatte Dr. Neumann veranlasst, dass der BUND ein eigenes Vogelschutzgutachten eingeholt hatte, was das „offizielle“ Gutachten widerlegen konnte. Es reichte dann noch der Fund des Keltenfürsten, so dass alle, die ja „nie für die 110 kV-Freileitung“ gewesen waren, - durch Mitfinanzierung der Kommunen - nun freudig am 21.10.2009 die Erdkabel anschalteten. Der Mehrkostenfaktor aus dem Erdkabelprojekt Altenstadt ging sodann einige Jahre später in die Berechnungsverordnung für die Netzkosten auf Bundesebene ein.
Parallel hatte sich aus der Stromsparinitiative eine von Dr. Neumann v.a. auf Landkreisebene vorangetriebene Aktion der „Lokalen Agenda 21“ ergeben, die dann zur Stromsparaktion des BUND Wetterau „SPAR WATT EIN“ (mit dem Maskottchen des „Wetterauer Glühwürmchens“) überleitete. Aus dieser Aktion, bei der zahlreiche Haushalte im Landkreis individuelle Stromsparberatungen erhielten, ergab sich die Idee, diesen Service auch professionell anzubieten. (Es war die Zeit der „1-Mann-AGs“). Dr. Neumann mietete ein Altenstadt einen Laden und eröffnete im September 1997 mit dem Mitarbeiter Philippe Redlich (Technikerschule Butzbach) die Firma „SparWATT“. Diese Firma bot nun gezielt für Haushalte und Gewerbe die Einsparung von Strom an. Allerdings erwies sich das Konzept auf die Dauer als wirtschaftlich nicht tragfähig, zumal die „Liberalisierung“ der Strommärkte in den Jahren 1998-2000 die Strompreise und damit das Interesse am Stromsparen senkte. Dr. Neumann stieg Ende 2002 aus der Firma SparWATT aus, die von P. Redlich noch als Ingenieurbüro einige Jahre fortgeführt wurde und einige Stromsparkonzepte in Unternehmen und Kommunen in der Wetterau realisierte.
In den Jahren 2004/2005 wurde eine Anfrage bei Dr. Neumanns Dienststelle gestellt, ob es Möglichkeiten zur Beschäftigung von „1-Euro-Jobbern“ (mit Ausbildung) geben könnte. Hieraus ergab sich die Idee, doch das know how aus den Stromsparaktivitäten in der Wetterau zu übertragen. W.Neumann und P.Redlich organisierten das Konzept und die ersten Kurse für Arbeitslose zur Ausbildung als „Stromsparchecker“ gemeinsam mit dem Caritasverband Frankfurt im Jahr 2005. Inzwischen wurde dieses Projekt mehrfach durch das Bundesumweltministerium gefördert und vor allem vom Caritasverband getragen auf über 100 Städte und Landkreise in Deutschland ausgeweitet. Im Jahr 2013 wird der 100.000ste Stromsparcheck in Deutschland aus diesem Projekt erwartet. Pro Haushalt liegt die Einsparung bei über 150 € und über ½ Tonne CO2 im Jahr. Das Konzept – das letztlich seinen Ursprung in der Stromsparinitiative / Firma SparWatt hat und durch die Planung und Verhinderung der Hochspannungsleitung angestoßen wurde - wurde mittlerweile mehrfach ausgezeichnet (Consozialpreis, 2* Präsentation bei der Woche der Umwelt des Bundespräsidenten, „Land der Ideen“,…) da es Energiespartechnik für den Klimaschutz mit Ausbildung von Arbeitslosen und Hilfe für Haushalte mit geringem Einkommen verbindet.
Zurück in die Wetterau – beim BUND Ortsverband standen auch weitere Themen auf der Liste von Dr. Werner Neumann, Organisation von Pflanzentauschbörsen, gemeinsame Naturschutzaktionen mit dem NABU Altenstadt und anderen örtlichen Naturschutzgruppen und die Niddertalbahn. Nicht nur um den eigenen Fahrweg nach Frankfurt angenehmer zu gestalten, organisierte Dr. Neumann - notgedrungen - wiederholt Protestaktionen gegen unzumutbare Zustände in und um die Niddertalbahn (z.B. das Infoblatt „DB- Dolle Bahn“ als die Verspätungen die Regel wurden). Auch aktuell geht es wieder um den Protest gegen neue Wagen mit viel „zu großem Abstand von der Bahnsteigkante“, bei denen Rollstuhlfahrer nicht befördert werden können. Auch hier geht es nicht nur um Komfort allein, sondern darum die Bahn als wirklich attraktive Alternative für den Autoverkehr (und viele, die kein Auto haben) auszubauen.
Immer wieder und wie viele anderen Arbeiten des Ehrenamts an Wochenenden am Computer, so wurden zahlreiche Stellungnahmen zur örtlichen Bauleitplanung in Altenstadt, Limeshain, Glauburg stellvertretend für die Gesamtheit der anerkannten Naturschutzverbände der Wetterau (Träger öffentlicher Belange) erstellt. Vielfach wurden Vorschläge erstellt, wie die Bauleitplanung mehr in Richtung Energieeffizienz und Naturschutz ausgerichtet werden kann, leider zum großen Teil ohne Erfolg bei Planungsfirmen und den auftraggebenden Kommunen.
Beim BUND Bundesverband wurde Dr. Neumann im Jahr 2004 durch die Bundesdelegierten-versammlung (Nachfolge von Prof. Dr. Klaus Traube) zum Sprecher des Arbeitskreises Energie im Wissenschaftlichen Beirat des BUND gewählt (und in den Jahren 2007, 2010 bestätigt). Er war federführend bei der Erarbeitung der Grundsatzpositionen des BUND zur „Zukunftsfähigen Energiepolitik“, zu Energie aus Biomasse, Geothermie, Windenergie. Er ist Mitglied der BUND „Atom- und Strahlenkommission“.
Er ist Mitglied des Vorstandes des Vereins „Leben nach Tschernobyl e.V.“, der das Kinderzentrum „Nadeshda“ (Hoffung) in Belarus unterstützt. Er ist Vorstandsmitglied beim Verein „Grüner Strom Label e.V.“ der eines der wirksamsten Label für Ökostrom entwickelt hat und vergibt.
In den letzten Jahren lagen zahlreiche Aktivitäten von Dr. Neumann mehr auf der regionalen und überregionalen Ebene. Er hat bei der erfolgreichen Verhinderung des Baus des Blocks 6 des „Klimakiller“-Kohlekraftwerks Staudinger durch eine umfassende Stellungnahme des BUND Hessen und Vorlage eines Alternativkonzepts mitgewirkt. Für den BUND hat er Stellungnahmen und Ausarbeitungen zum überregionalen Netzausbau erstellt, zuletzt die Beschwerde des BUND gegen die Bundesregierung wegen Verstoß gegen die Pflichten zur Strategischen Umweltprüfung.
Aktuell hat Dr. Neumann im Frühjahr 2013 sich intensiv und qualifiziert trotz „Gegenwind“ einer örtlichen „not-in-my-backyard“-Bürgerinitiative gegen Windenergieanlagen in Altenstadt für den Bau von Windenergieanlagen in der Wetterau eingesetzt, da die Umwelt- und Naturschutzprobleme minimiert werden können, und es gegenüber Strom aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft keine Alternativen gibt. Ende Mai hat hierzu auf seine Anregung hin der BUND Wetterau ein Gesamtszenario „Wetterau 100% erneuerbare Energie“ erarbeitet, natürlich mit ca. 50% Stromeinsparung!
Und es ist noch lange nicht sicher, dass um Altenstadt herum eine seit über 30 Jahren geplante Umgehungsstraße überhaupt irgendwann einmal gebaut wird. Denn es wird immer klarer, dass diese nicht nur erhebliche Eingriffe in Auenverbund, Hochwasserschutz und Landschaft bringen wird, sondern auch die Verkehrsprobleme nicht lösen wird und zudem eine „Gewerbeumgehungsstraße“ mit Schließung von Läden sein kann. Dr. Neumann ist gerade dabei, entsprechende Einwendungen und Alternativen – wie in vielfach schon bei anderen Themen - zu erstellen, wie auf Bundesebene so nun wieder auf örtlicher und regionaler Ebene.
Klar, entschieden, engagiert und kompetent gegen umweltschädigende Projekte vorzugehen, aber zugleich immer die machbaren und besseren Alternativen aufzuzeigen – dass ist und bleibt seine Devise. Und einige der von ihm entwickelten Alternativen haben sich nun überregional verbreitet.